COLITIS: dickdarmlos und dankbar

Mein Name ist Désirée Marie, 23 Jahre jung, geboren in Stuttgart  aufgewachsen in Afrika, Journalistin und Bloggerin und seit meinem 14. Lebensjahr Colitis-Ulcerosa-Kämpferin. „Ich habe Colitis ABER die Colitis hat mich nicht!“

Ich finde es super wichtig, dass man sich als CED-Patient immer wieder klarmacht, dass die Erkrankung zwar EIN Teil von einem ist, die sicher auch viele Bereiche im Leben beeinflusst und verändert ABER sie ist eben auch nicht alles! Wir sind so viel mehr als unsere Darmerkrankung und wir dürfen uns nie darauf reduzieren oder unser Leben von ihr bestimmen lassen! Nichtsdestotrotz ist eine CED nicht „einfach nur irgendwas Harmloses im Magen oder Darm“! Ich habe einen Schwerbehindertenausweis, sehe aber gar nicht „behindert“ aus. Frechheit! Das ist wohl der größte Fluch und Segen zugleich. Ja, ich sehe „ganz normal“ aus – muss ich mich dafür rechtfertigen? Klar kam mir immer mal wieder der völlig absurde Gedanke, dass vieles vielleicht einfacher wäre, wenn mir statt des kompletten Dickdarms ein sichtbares Körperteil fehlen würde. Mir sieht man meine Leidensgeschichte höchstens im Schwimmbad an. Ich verstecke mich nicht mehr unter einem Badeanzug. Nein, die lange Narbe, die sich senkrecht über meinen kompletten Bauch erstreckt, ist nichts wofür ich mich schäme! Sie zeigt höchstens, was ich alles schon durchgemacht und geschafft habe. Selbstakzeptanz – ein unglaublich wichtiger Meilenstein im Leben eines CED-Patienten.

Ich hatte einen sehr schweren Colitis-Verlauf: Starke Schübe mit lebensbedrohlichem Blut- und Gewichtsverlust. Es half alles nix: Der Übeltäter musste raus. In einer achtstündigen OP wurde mir mein kompletter Dickdarm entfernt und ich bekam vorrübergehend ein „Stoma“, einen künstlichen Darmausgang. Ich wog zu dem Zeitpunkt noch knapp 32 Kilo, konnte kaum allein laufen und schämte mich für den Beutel, diesen Fremdkörper, an meinem Bauch. Ich ging nicht mehr ins Schwimmbad, versteckte mich unter sackartiger Kleidung. Ich hatte das Gefühl, jeder in meiner Umgebung könne das Stoma sehen, riechen, wahrnehmen. (Was übrigens keineswegs der Fall war. Als ich Monate später offen darüber sprechen konnte, fand ich heraus, dass in meiner Schule niemand etwas davon bemerkt hatte.) Nach einem halben Jahr als „Beuteltier“ bekam ich einen sogenannten „J-Pouch“, ein körpereigenes Säckchen im Bauch, dass mein Verdautes sammelt und mir so ein Leben ohne künstlichen Darmausgang ermöglicht. Ohne Beutel am Bauch fühlte ich mich wie ein neuer Mensch. Trotzdem ist man dickdarmlos keinesfalls geheilt – auch wenn viele bescheuerte Chirurgen und Ratgeberheftchen das Gegenteil behaupten!! Nein, ein Leben ohne Dickdarm ist möglich und lebenswert aber keinesfalls einfach und zu unterschätzen!

Vor allem bedarf es guter Planung. Was mich in meinem Alltag am meisten einschränkt? Keine kleine Köstlichkeit ohne Klo in der Nähe! Während meine Freundinnen unterwegs im Auto oder während eines Konzerts futtern können ohne nachzudenken, muss ich mir vorher überlegen wann ich wo was esse. Alles eine Sache der Planung und Gewohnheit. Damit komme ich in zwischen sehr gut zurecht. Schwieriger ist das mit der Akzeptanz. Während Tattoos und Piercings mitten im Gesicht heutzutage völlig normal sind, ist das Thema „Darm“ immer noch ein großes Tabu in unserer Gesellschaft. Über seine Verdauung spricht man nicht. Ach ja? Find ich ganz schön scheiße! Da muss noch ganz schön viel passieren! Was mich zum nächsten Punkt bringt: Viele Menschen – meiner Erfahrung nach vor allem viele Männchen – können mit einer chronischen Erkrankung, verbunden mit immer wiederkehrenden Krankenhausaufenthalten und Operationen – nicht gut umgehen. Gesund ist easy, chronisch krank kann dagegen ganz schön kompliziert sein. Aber wie sagt man so schön: In schlechten Zeiten erkennt man gute Freunde. Durch eine Krankheit lernt man echte von falschen Freunden zu unterscheiden. Eine Lektion fürs Leben! Und man lernt, wie unglaublich wichtig und wertvoll rücksichtsvolle Menschen mit Verständnis sind! Trotzdem bedeuten Verständnis und Mitgefühl NICHT, dass ich auf meine Krankheit reduziert werden möchte! Ich möchte wie eine normale, junge Frau behandelt werden. Nur so fühlte ich mich auch „normal“ und schaffe es, mir wieder mehr zuzutrauen und zurück in den Alltag zu finden.

Was meiner Meinung nach bei einer CED auch super wichtig ist: darüber reden! Es eben nicht totschweigen und tabuisieren. Gerade weil man es einem nicht ansieht und die Mitmenschen es nicht riechen können, bevorzuge ich Ehrlichkeit. Das bedeutet nicht, dass man jedem Kollegen, Mitstudent oder dem Postboten seine Krankheitsgeschichte aufzwingen sollte. Aber Menschen, die einem etwas bedeuten und mit denen man viel Zeit verbringt, haben Ehrlichkeit verdient! Nur wenn deine Mitmenschen wissen was mit dir los ist, können sie sich darauf einstellen, Verständnis dafür aufbringen und ihren eigenen Weg finden, damit umzugehen. Mindestens genauso wichtig wie mit „gesunden“ Menschen darüber zu reden, ist es, Gleichgesinnte zu finden und sich auszutauschen. Shit – anderen geht es genauso beschissen wie mir, ich bin nicht allein damit. Wir doofen Menschen neigen ja leider dazu, uns mit anderen zu vergleichen. Immer doof aber ganz schöner Mist, wenn man sich mit den Topfitten, vor Kraft und Gesundheit strotzenden, vergleicht. Da kann man ja nur verlieren und das tut nicht gut. Also lieber die eigenen Stärken finden – und die Schwächen akzeptieren. Und das Leben genießen, so gut es eben gerade geht! Die guten, schmerzfreien Tage dankbar auskosten, aber eben auch akzeptieren, wenn der Körper mal eine kleine Verschnaufpause einlegen muss. Und vor allem: Nicht denken, dass man sich dafür rechtfertigen muss! Gute Freunde werden das verstehen und für einen da sein – zur Not auch auf dem Sofa oder im Krankenhaus – und die anderen braucht man sowieso nicht!

Ich habe mich sehr gefreut, meine Geschichte hier mit euch teilen zu dürfen und damit einen Teil zur Normalisierung und „End-Tabuisierung“ des Themas chronisch entzündliche Darmerkrankung beizutragen. Schreiben ist für mich einfach immer noch die beste Medizin. Und ich würde mich riesig freuen, wenn ihr auch meinem Blog einen Besuch abstatten würdet. Ganz liebe Grüße und viel Gesundheit!

Eure Désirée Marie

Über mich

“Hallo, mein Name ist Dominika!

Ich bin Ernährungswissenschaftlerin und habe seit mehreren Jahren meine Spezialisierung im Bereich “Darmgesundheit”. 

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Häufige Fragen

Ich habe alles ausprobiert. Am besten geht es mir, wenn ich nichts esse. Entlaste ich damit den Darm?

Um eine ausreichende Nährstoffzufuhr, eine reiche Darmmikrobiota sowie eine ganzheitliche Gesundheit aufzubauen und zu erhalten, ist eine regelmäßige und Symptom-orientierte Ernährung notwendig. Der Darm und seine Bewohner brauchen die richtige Nahrung. Lass dich auf deinem Weg professionell beraten und sei geduldig. Tausche dich darüber am besten mit deinem Ernährungsberater aus oder kontaktiere mich gerne über das Formular. 

Ich habe keine festgestellten Intoleranzen. Warum vertrage ich dennoch keine frischen Milchprodukte oder ballaststoffreiche Lebensmittel?

Frische Milchprodukte enthalten höhere Mengen an Probiotika als gewohnt, sodass diese kurzfristig zu Laktoseunverträglichkeit-ähnlichen Symptomen führen können. Ähnlich verhält es sich auch bei ballaststoffreichen Lebensmitteln, die Präbiotika enthalten. Der Darm muss sich schlichtweg an die neue Bevölkerung gewöhnen. Entlasten kannst du deinen Bauch anfangs durch eine Kombination aus Gemüse und pflanzlichen Ölen (z.B. Leinöl).

Kohlsorten, Bohnen oder auch Ballaststoffe blähen auf. Wie kann ich dagegen vorgehen?

Eine abwechslungsreiche Ernährung ist wichtig, dazu gehören auch gesunde Fette. Diese entlasten nämlich den Darm, indem sie dafür sorgen, dass die Nahrung länger im Magen verweilt. Kombiniere die Mahlzeiten daher immer mit pflanzlichen Fetten. Aber aufgepasst – auch die Menge ist wichtig. Beispielsweise bläht tiefgekühltes Kohl oder Bohnen weniger auf.

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